Die hausärztliche Versorgung ist akut gefährdet
Liebe Patientinnen und Patienten!
Sie fragen sich vielleicht, warum ich diesmal keinen medizinischen Beitrag bzgl. Gesundheit schreibe?
Diese Frage kann sehr leicht beantwortet werden, aufgrund der aktuellen Ereignisse ist unsere gesundheitliche Versorgung in dieser hohen Qualität zukünftig nicht gesichert.
Eine Gruppe von Ärzten, welche um Ihre Versorgung kämpft, ist sehr aktiv, auch ich gehöre zu dieser Gruppe.
Auch wir Ärzte werden einmal alt sein und dann medizinische Hilfe benötigen. Doch wenn die aktuelle Entwicklung anhält, dann sind wir alle gefährdet.
Sie, wir, unsere Familien und Freunde, einfach wir alle!
Konkret: aktuell wird öffentlich vom Patientenanwalt Dr. Gerald Bachinger und vom Chef der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) Herrn Mag. Bernhard Wurzer massiv Stimmung gegen die Hausärzte gemacht.
Seit Jahren wächst die Zahl der offenen Arztstellen österreichweit, ganz besonders in Niederösterreich.
Ich habe noch studiert als die Ärztekammer schon damals darauf aufmerksam gemacht hat, dass viele Ärzte in Pension gehen werden, und endlich der Beruf des Hausarztes attraktiver gemacht werden soll.
Geschehen ist bis jetzt nichts, im Gegenteil die offenen Stellen werden immer mehr.
Ärzte gibt es mehr als genug, wir haben keinen Ärztemangel!
Wir haben einen Mangel an Ärzten, welche einen Kassenvertrag anstreben, deshalb wächst auch die Zahl der Wahlärzte jedes Jahr aufs Neue.
Wieviel bekommen Sie von einem Wahlarzthonorar von der Kasse zurück?
Wenig, genau, da spart sich die Kasse ganz viel Geld.
Und es geht mir nicht um die Bezahlung, nein, es geht um die Existenz der Hausärzte, denn, wenn es den Hausarzt nicht mehr gibt, na dann ………………..
Wir Ärzte haben einen tollen, schönen und vor allem sehr sozialen Beruf mit viel Abwechslung.
Wir wollen helfen, aber dazu muss man uns helfen lassen.
Aktuell wird daran gearbeitet den Hausarzt abzuschaffen, nicht morgen oder übermorgen, aber in absehbarer Zeit.
Wie sonst ist es zu verstehen, wenn der Chef der ÖGK öffentlich meint, die Ambulanzen sollen zukünftig mehr hausärztliche Tätigkeiten machen? Oder wenn der Patientenanwalt öffentlich unsere Arbeit als „grottenschlecht“ abwertet.
Es stimmt, wir können unsere Ordinationen nicht 24 Stunden 7 Tage die Woche offen halten.
Und oft fehlt uns ganz einfach mehr Zeit für unsere Patienten.
Unsere Krankenhäuser leisten hervorragende Arbeit, was die stationären Behandlungen und Spezialambulanzen betrifft, und wir schätzen die Arbeit unserer Kollegen im Krankenhaus sehr.
Ob Sie, liebe PatientInnen, in einer Spitalsambulanz aber mit alltäglichen gesundheitlichen Beschwerden und chronischen Krankheiten besser betreut sind als in unseren Hausarztpraxen, daran darf durchaus gezweifelt werden.
Denn die persönliche und wohnortnahe Betreuung und das jahrelange Vertrauensverhältnis zu Ihrer Hausärztin/Ihrem Hausarzt sind die Grundlagen der hausärztlichen Primärversorgung.
Wie sollen außerdem solche Veränderungen unserem Gesundheitssystem nötige Einsparungen bringen, wenn Patientenkontakte von der günstigen Hausarztpraxis in die teure Spitalsambulanz verschoben werden?
Rechenbeispiel: Eine Konsultation bei einem Arzt für Allgemeinmedizin kostet dem System durchschnittlich 18€, ein Besuch einer Spitalsambulanz dagegen 239€ - also mehr als das 10-fache!
Wenn Pläne für derartige Veränderungen auf den Tisch kommen, fragen wir uns, ob das Ziel der Gesundheitspolitik ist, das Hausarztsystem gänzlich abzuschaffen - mittels ständiger medialer Abwertungen, zusätzlich zu den bürokratischen Steinen, die uns tagtäglich bei Ihrer Betreuung in den Weg gelegt werden.
Bitte unterstützen Sie uns! Teilen Sie diese Informationen!
Schreiben Sie Briefe oder eMails an die werten Herren - wir Ärzte machen das bereits, leider ohne ernst genommen zu werden.
Dr. Gerald Bachinger, NÖ Patientenanwaltschaft, Landhausplatz 1/13, 3109 St. Pölten, gerald.bachinger@noel.gv.at
Mag. Bernhard Wurzer, ÖGK, Haidingergasse 1, 1030 Wien, kundensevice@oegk.at
Sollten Sie Kontakte zu Medien haben, wo Sie und wir gehört werden, nutzen Sie diese bitte!
Kämpfen Sie mit uns für eine persönliche, wohnortnahe und effektive Gesundheitsversorgung!
Ihr Dr. Tillawi
Gesundheit ist sehr wichtig, schauen wir gemeinsam, dass sie uns erhalten bleibt.
Herzlichst Ihr Dr. Samir TILLAWI (Gemeindearzt; www.tillawi.at) 08.03.2020
Offener Brief von Dr. Max Wudy
Dr. Max Wudy
2564 Weissenbach
Hollergasse 30
Offener Brief an
Herrn HR Dr. Gerald Bachinger
Haus 13
Landhausplatz 1
A-3109 St.
Pölten
Weissenbach 7.3.2020
Sehr geehrter Herr Hofrat Dr. Bachinger,
ich schreibe Ihnen nicht in meiner Funktion als stellvertretender Obmann der Kurie für Niedergelassene der Ärztekammer NÖ, sondern als einfacher Landarzt, der seit 34 Jahren gemeinsam mit knapp 800 Kolleginnen und Kollegen die wohnortnahe hausärztliche Versorgung in Niederösterreich aufrecht erhält.
Wie sie sicher wissen, ist der Hausarzt für über 85% der Bevölkerung der erste Anlaufpartner in gesundheitlichen Fragen, und dies zur höchsten Zufriedenheit. Das Vertrauen in uns liegt in Bereichen, von denen andere Berufsgruppen nur träumen können, Politiker und Patientenanwälte eingeschlossen.
In medias res: Im Interview am Freitag im Ö1 behaupteten Sie unter anderem, dass die Versorgung der chronisch Kranker durch den niedergelassenen Bereich grottenschlecht sei!
Dem ist nicht so, noch nicht. Die Versorgung chronisch Kranker wird derzeit unter dem unendlichen Einsatz aller Hausärzte und deren Mitarbeiter gegen widrigste Umstände gerade noch aufrechterhalten
und ist daher weit weg von grottenschlecht. Allerdings droht dies tatsächlich, und hier scheint mir Ihre Behauptung eine selbsterfüllende Prophezeiung zu sein.
Die seit Jahren von der öffentlichen Hand gerade noch als notwendiges Übel geduldete niedergelassene Ärzteschaft im Kassensystem wird ob solcher Anschuldigungen ihr unbedanktes Engagement bald
beenden und aus dem öffentlichen Gesundheitssystem aussteigen. Nach Ihrem Interview haben gar nicht so wenige Kolleginnen und Kollegen beschlossen, aus dem freiwilligen Wochenenddienst endgültig
auszusteigen.
Auch die Anwesenheit über die Ordinationszeiten hinaus wird massiv eingeschränkt – „Dienst nach Vorschrift“ halt. Bald werden also die sowieso schon chronisch unterbesetzten und überlasteten Ambulanzen zeigen müssen, was sie können und ob dann noch Ressourcen für VU und MUKI Untersuchungen zu finden sein werden.
Leider wurde noch immer nicht verstanden, was Primärversorgung überhaupt ist. Diese ist weder ein Immobilienprojekt noch eine Ambulanz im Vorfeld der Krankenhäuser. Primärversorgung soll und muss
niederschwellig und wohnortnahe stattfinden. Sie soll auch die Bevölkerung eng einbinden und die Gesundheitskompetenz und die Primärprävention fördern. Dies kann am besten durch den Hausarzt mit
seinem Team erfolgen. Allerdings wird dieses hohe Ziel durch die Verantwortlichen geradezu verunmöglicht. Ein paar Zahlen mögen dies Ihnen verdeutlichen. So ist die Anzahl der
Kassenallgemeinmediziner seit 1960 um 160 Stellen reduziert worden. In dieser Zeit stieg die österreichische Bevölkerung um mehr als 25%, die Zahl der über 65jährigen Mitbürger verdoppelte
sich.
Sind in Ländern mit starker Primärversorgung (in denen die Zahl der gesunden Jahre über 65 fast doppelt so hoch wie bei uns ist) knapp ein Viertel aller Ärzte als Allgemeinmediziner im
kassenärztlichen Bereich tätig und hoch angesehen, sind es bei und lediglich 5,9% und diese werden noch mit Dreck beworfen. Von der Arbeits- und Strukturqualität möchte ich hier gar nicht reden.
Mehr als die Hälfte meiner Patienten sind chronisch krank, und hier ist meine Praxis die Regel und nicht die Ausnahme! Ich gebe zu, dass die Versorgung besser sein könne, aber das liegt nicht bei mir. Wartezeiten von Monaten in Spezialambulanzen die wir im Gegensatz zu Allgemeinambulanzen dringend bräuchten) , eingeschränkte Diagnose- und Therapiemöglichkeiten im niedergelassenen Kassensystem, schikanöse Bürokratie, es sei hier nur das unerträgliche ABS genannt, ständige Ausfälle von ELGA (zuletzt wenige Stunden vor Ihrem Interview), die das vernünftige Arbeiten verunmöglichen, harren einer dringenden Verbesserung.
Sehr geehrter Herr Hofrat, ich gebe Ihnen Recht, dass das System, die Struktur grottenschlecht ist und das System nur durch den selbstlosen Einsatz aller Ärzte auch im angestellten Bereich und im Bereich des Pflegepersonals, bei denen ich mich hier bedanken möchte, aufrecht gehalten wird.
Machen Sie etwas, setzen Sie Ihre mediale Bekanntheit endlich für die Patienten ein, als deren Anwalt Sie sich immer wieder bezeichnen. Handeln Sie und stellen Sie vor alle Ihre Aussagen richtig!
Nehmen Sie die Beleidigung des Niedergelassenen Bereichs und vor allem der Hausärzte zurück!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Max Wudy
Landarzt in Weissenbach/ Triesting
Offener Brief von Dr. Ulrike Giwiser
Liebe Patientinnen und Patienten!
Vielleicht haben einige von Ihnen am 6. März das Morgenjournal bzw. das Mittagsjournal auf Ö1 mitverfolgt.
Darin wird von Hr. Mag. Wurzer (ÖGK) vorgeschlagen, die ärztliche Versorgung vermehrt in die Spitalsambulanzen zu verlegen, um eine „bessere Versorgung“ zu gewährleisten.
Im Mittagsjournal spricht Hr. Bachinger von einer grottenschlechten Versorgung der chronisch kranken Patienten durch die niedergelassenen Ärzte.
Es mag sein, dass in den Praxen nicht immer alles perfekt läuft – ob Sie in der Ambulanz mit Ihren Anliegen, Schmerzen, Fragen und Bedürfnissen besser versorgt sein werden, bezweifle ich. Ob in den Ambulanzen die Zeit sein wird, Ihren Medikamentenplan und Ihre Fragen ausführlich zu besprechen, bezweifle ich ebenfalls. Ob in der Ambulanz die Möglichkeit bestehen wird, Ihnen einfach nur 5 min zuzuhören, bezweifle ich auch.
Ich schätze die Arbeit der Kollegen im Krankenhaus sehr, und sehr oft funktioniert die Zusammenarbeit hervorragend. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Betreuung Ihrer chronischen oder auch mancher akuten Beschwerden durch eine Verlagerung in den Spitalsbetrieb verbessern wird. Ich frage mich auch, wie die Kollegen in den (meist überfüllten) Ambulanzen Hausbesuche bei immobilen Patienten unterbringen werden… Wieso Sie Ihre Vorsorgeuntersuchung oder Mutter-Kind-Pass-Untersuchung in Zukunft im Spital machen sollen, ist mir sowieso schleierhaft.
Ich bin erschüttert, welche Meinung Hr. Bachinger von uns Hausärzten hat – und frage mich, ob das Ziel der werten Herren hinter den Schreibtischen ist, den Hausarzt mittels dieser Herabwürdigungen gänzlich abzuschaffen.
Bitte unterstützen Sie uns – schreiben Sie Briefe oder mails an die werten Herren (wir Ärzte machen das bereits – ohne ernstgenommen zu werden). Teilen Sie diese Informationen!
Sollten Sie Kontakte zu Medien haben, wo Sie und wir gehört werden, nutzen Sie diese bitte!
Kämpfen Sie mit uns für eine persönliche, wohnortnahe und effektive Gesundheitsversorgung!
Dr. Ulrike Giwiser Mödling, 7.3.2020
Freiwillige Wochenenddienste werden nicht mehr geleistet (ab 07.03.2020)
Sehr geehrte Patientinnen und Patienten !
Aufgrund der aktuellen Ereignisse, insbesondere der medialen Herabwürdigung durch den Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse Mag. Bernhard Wurzer, sowie dem Patientenanwalt Dr. Gerald Bachinger sind nun auch wir nicht mehr gewillt freiwillig am Wochenende Dienst zu machen.
Wie haben uns in den letzten Monaten bemüht die hausärztliche Versorgung trotz widriger Umstände in hoher Qualität aufrechtzuerhalten – nachdem dieses lediglich mit Schuldzuweisungen und noch weiteren, zusätzlichen Honorarkürzungen belohnt wird, ist es nun auch für uns genug.
Die Ordination ist daher bis auf weiteres am Wochenende nicht besetzt.
Wir danken für Ihr Verständnis,
Dr. Samir Tillawi und sein Team